Immer noch im Halbschlaf und mit
ziemlich kleinen Augen durchqueren wir am nächsten Morgen die Lobby
unseres Hotels auf der Suche nach Frühstück. „WALTER!!
CHRISTINA!! How are you??“ Unsere neuen Duzfreunde sind auch schon
wach. Aber immerhin wissen sie, wo unser Buffet mit Mango- und
Banana-Pancakes, Knoblauchbrot (ja, das geht auch zum Frühstück),
Eier (dürfen ja nicht fehlen) und Toastbrot auf uns wartet.
Wir passen uns an den Rhythmus dieser
Stadt an und lassen die ersten beiden Tage ruhig angehen. Auf
Spaziergängen und mit dem Fahrrad erkunden wir Hoi An.
75.000
Menschen leben hier und das zum Teil in wunderbaren zweistöckigen
Häusern, die vietnamesische, chinesische und japanische Einflüsse
aufweisen und in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen
worden sind. Es herrscht eine für Vietnam untypische (fast)
entspannte Atmosphäre in der Altstadt am Fluss, da manche Straßen
zu bestimmten Zeiten nicht von Mopeds durchfahren werden dürfen.
Unser Reiseführer schreibt schon ganz richtig, dass fast alle
Besucher länger bleiben als geplant und der Aufenthalt hier ein
Highlight einer Vietnamreise sein kann. Zumal ein toller Sandstrand
nur 15 Fahrradminuten entfernt ist.
Zu besichtigen sind insbesondere die
schon erwähnten Häuser, von denen manche seit Generationen von
derselben Familie bewohnt werden. Sie weisen ebenfalls die für
Vietnam so typische schmale aber langgezogene Grundstücksform auf.
Daneben gibt es viele chinesische Versammlungshallen. Die Einwanderer
aus China organisierten sich untereinander immer stark in
Vereinigungen und nutzten diese tempelartigen Anlagen, um sich dort
zu treffen. Diese zahlreichen Sehenswürdigkeiten haben natürlich
dazu geführt, dass Hoi An kein weißer Fleck auf der touristischen
Landkarte mehr ist. Man sieht tagsüber viele ausländische Besucher
durch die kleinen Gassen spazieren oder aus einem der Hotels kommen.
Trotzdem empfinden wir nicht, dass Hoi An überlaufen oder künstlich
geworden ist. Der Tourismus hat an diesem Ort dazu geführt, dass das
traditionelle Stadtbild erhalten wurde und die schönen Häuser
keinen Neubauten weichen mussten.
Dadurch findet man zum Beispiel
zwischen den Geschäften, die maßgeschneiderte Anzüge oder andere
Textilien anbieten, in einem kleinen Holzhaus einen Laden für
gebrauchte Bücher. Der Verkaufsraum geht nahtlos in das Wohnzimmer
mit Fernseher über. Das Regal mit Reiseführern (auf Deutsch,
Englisch, Französisch, Schwedisch oder Russisch) steht direkt neben
der Couch, auf der meistens die Frau und die Kinder des Ladeninhabers
sitzen und essen. Wir kaufen einen Stefan Loose für die
Mekong-Region und wollen Guy, dem älteren Buchverkäufer, den
LonelyPlanet, den wir aus Laos haben, dafür dalassen. Zu unserer
Überraschung lernen wir, dass er aus Prinzip keine LonelyPlanets
annimmt und anbietet. Die Erklärung findet sich in den Karten im
Buch. Guy zeigt uns, dass die Autoren das Meer, an das Vietnam
grenzt, als südchinesisches Meer bezeichnet haben. Aus seiner Sicht
ist das ein Affront gegen Vietnam und rechtfertigt den Boykott der
berühmten Reiseführerreihe. In solchen unerwarteten Begegnungen
lernt man häufig am meisten über die Denkweise der Menschen aus
anderen Ländern.
Am dritten Tag, dem 14.03., fühlen wir
uns ausgeruht genug, um die Augen um 4:30 Uhr in der Nacht
aufzuschlagen und an einem Ausflug teilzunehmen. Wir wollen die
Tempelruinen der Cham-Zivilisation in My Son besichtigen. Die Cham
siedelten in Südvietnam und errichteten schon im 2. Jahrhundert n.
Chr. die ersten Holzgebäude an dieser ihrer heiligsten Stätte. Ihr
Königreich Champa erlebte seine Blütezeit im 10. Jahrhundert, bevor
die Anlagen im 14. Jahrhundert aufgegeben wurden, weil die
Vietnamesen von Norden kommend das Volk weiter in den Süden drängte.
Warum wir die Anlagen so früh besichtigen? Das My Son-Areal ist (wie
so vieles hier) von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und zieht
daher tagsüber Busladungen an Touristen an. Laut anderen
Reiseberichten treten sich die Reisegruppen gegenseitig auf die Füße
und der Charme der Ruinen, verlassene Bauwerke inmitten grüner
Natur, bleibt verborgen. Es gibt aber eine Tour, die bereits um 5:00
Uhr startet und nur von ein paar Frühaufstehern gebucht wird.
Deswegen stapfen wir schlaftrunken die Hoteltreppe hinunter, sehen
dass ein paar Mitarbeiter auf Klappbetten hinter der Rezeption
schlafen (wie, wo bleibt unsere Begrüßung?!) und warten auf der
Straße vor dem Hotel. „Walter!! Christina!!“ Ah, so ist schon
besser. Sherry eilt uns in Schlafklamotten hinterher und versichert
uns, dass wir gleich abgeholt werden. Und so sitzen wir um kurz nach
5:00 Uhr ein paar Straßenzüge weiter in der Innenstadt und kriegen
vom Tourveranstalter ein belegtes Baguette und einen leckeren,
typisch vietnamesischen, Kaffee mit Kondensmilch serviert. Von hier
geht es in einem Minivan mit etwa zehn anderen Gästen nach My Son.
Kurz nach Sonnenaufgang betreten wir
die heiligste Stätte der Cham-Zivilisation, von manchen auch als
kleines Angkor Wat bezeichnet.
Die Tempelruinen sind von dichtem
Dschungel umgeben und liegen in einem heißen Tal, das von
umliegenden steilen Felswänden gebildet wird.
Die Anlage war nach
der Vertreibung der Cham etwa fünf Jahrhunderte der Natur
überlassen, die sich das ihr geraubte Land Stück für Stück
zurückerobert hat.
Erst 1901 entdeckte der französische Archäologe
Henri Permentier die Ruinen wieder und teilte seine Entdeckung einer
breiten Öffentlichkeit mit. In der Stille des Morgens genießen wir
den herrlichen Anblick.
Wer bereits Angkor Wat in Kambodscha gesehen
hat, der ist vielleicht von der kleinen Anlage in My Son enttäuscht.
Uns gefallen die sehr schönen Tempelruinen aber, auch als
Vorgeschmack auf Angkor, sehr gut.
Der Guide erläutert die
unterschiedlichen Architekturstile, die Bauweise mithilfe eines
klebrigen Baumharzes als Mörtel und die verehrten Gottheiten. Wir
treffen dabei den Gott Shiva wieder, einen alten Bekannten aus
Indien.
Von My Son werden wir wieder zurück
nach Hoi An gebracht. Auf dem Rückweg kommen uns die oben schon
erwähnten Busladungen voll Besucher entgegen. Im Hotel nehmen wir
ein zweites Frühstück ein und machen zur besseren Verdauung ein
kleines Schläfchen. Ganz verschlafen dürfen wir den Tag aber nicht,
denn am Nachmittag steht ein besonderer Stadtspaziergang durch Hoi An
auf dem Programm. Von anderen Hotelgästen haben wir zufällig von
Etienne erfahren, einem französischen Fotografen, der seit mehreren
Jahren in Vietnam lebt und Fotorundgänge durch die Altstadt
anbietet. Da bei Christina in den letzten Wochen die eine oder andere
Frage zu Street- bzw. People-Fotografie aufgetaucht ist und unser
persönlicher Fotografie-Experte Viktor, dem wir an dieser Stelle
endlich mal einen großen Dank für viele wertvolle Tipps und Tricks
aussprechen wollen und ohne sein immer bereitwillig geteiltes Wissen
viele der Bilder auf diesem Blog so gar nicht entstanden wären,
leider nicht mit uns reist, haben wir für den Nachmittag ein Treffen
mit Etienne organisiert. Wir treffen Etienne bei einem Eiskaffee (mit
leckerer Kondensmilch) und plaudern über ihn und das Fotografieren
in Südostasien.
Er hat bereits während des BWL-Studiums gewusst,
dass er später gerne in Südostasien leben möchte und nach seinem
Abschluss eine Stelle in einem Unternehmen in Vietnam angetreten.
Etwa zu dieser Zeit hat er sich auch seine erste Kamera gekauft, um
die Menschen und das Leben hier auf Bildern festzuhalten. Aus dem
Hobby ist dann irgendwann ein Vollzeitjob geworden und heute macht
Etienne, wenn er nicht gerade mit uns auf einem Rundgang ist,
Werbeaufnahmen für Unternehmen oder Hochzeitsfotos für Private. In
den nächsten zwei Stunden gehen wir durch die Straßen von Hoi An
und entdecken die Stadt, so wie Etienne sie sieht.
Er ist mit einer
Vietnamesin verheiratet, spricht die Landessprache und kennt
mittlerweile viele der älteren Einheimischen, so dass wir mit den
Leuten ins Gespräch kommen und das Gefühl haben, dieses Land ein
Stück näher kennenzulernen.
Wir haben einen interessanten
Nachmittag und lernen nebenbei, dass wir gemäß dem chinesischen
Kalender Tiger sind.
Weil uns der Spaziergang mit Etienne so
gut gefallen hat, machen wir am nächsten Morgen eine
Sonnenaufgangstour mit seinem Partner Pieter in ein kleines
vietnamesisches Fischerdorf. Unser Wecker klingelt den zweiten Tag in
Folge um 4:30 Uhr. Wer zum Teufel hatte diese verdammt blöde Idee
nochmal so früh aufzustehen, schießt es durch unsere Köpfe.
Irgendwie schaffen wir es aber angezogen und pünktlich vor dem Hotel
(„Walter!! Christina!!“) zu stehen und noch im Dunkeln von Pieter
abgeholt zu werden. Mit sechs anderen Teilnehmern geht es zunächst
zu einem kleinen Fähranleger an einem Flussufer. Hier warten wir auf
kleinen Plastikhockern auf die Fähre, trinken einen mit Kondensmilch
gesüßten Kaffee und scharfen Ingwertee und beobachten verschlafen
die Vietnamesen am Nebentisch, wie sie lautstark trinken, rauchen und
Karten spielen. Die Fähre ist ein kleines Boot, das vorwiegend
Mopedfahrer trocken über den Fluss bringt. Mittlerweile ist die
Sonne aufgegangen und am Horizont ist das Meer auszumachen, in das
unser Fluss mündet. Vor dem Dorf auf der anderen Seite sieht man
eine Reihe von Booten schwimmen. Die Fischer haben in der Nacht die
Netze vollgemacht und sind gerade eben vom Meer zurückgekehrt. Wir
spazieren an der Uferpromenade entlang und werden Zeuge des
Fischmarkts, wie er hier jeden Morgen stattfindet:
Überall sieht und
riecht man die Fische, vietnamesische Frauen schreien sich
gegenseitig an, kämpfen um den Fang, feilschen um die Preise,
während die Fischer müde nach getaner Arbeit danebenstehen und
scheinbar wie wir das Spektakel beobachten. Ein Erlebnis für alle
Sinne!
Nach einem kleinen Frühstück (belegte
Baguettes und scharfer Ingwertee) besuchen wir ein Gebäude, in dem
die berühmte vietnamesische Fischsauce hergestellt wird, die in so
gut wie jede Mahlzeit Eingang findet. Vor dem Eingang sollte man
einmal tief Luft holen und drinnen das Atmen einstellen. Die Fische
werden in großen Fässern in Salzlache eingelegt und sechs bis zwölf
Monate (!!) stehengelassen. Nach dieser Zeit haben sie sich komplett
aufgelöst. Danach wird die Flüssigkeit destilliert.
Das Destillat
ist die begehrte Fischsauce, die zum Würzen der Speisen verwendet
wird.
Der Ausflug in das Fischerdorf war ein
interessanter Einblick in das Leben der Landbevölkerung in Vietnam
und das frühe Aufstehen auf jeden Fall wert. Zumal die kleinen
Gruppen von Etienne die einzigen Touristen sind, die hier herkommen.
Auf dem Rückweg nehmen wir wieder die Fähre und fahren dann mit
Fahrrädern zurück nach Hoi An. Den Rest des Tages verbringen wir in
den schönen Cafés der Stadt, schreiben an unserem Blog und planen
unsere nächste Etappe. Wir haben die vier Tage in Hoi An sehr
genossen und können das Städtchen jedem weiterempfehlen, der
zwischen den hektischen großen Städten und den heißen Stränden
ein etwas entspannteres Vietnam kennenlernen will. Unsere Reise geht
weiter in Richtung Süden. Es steht wieder eine lange Zugfahrt auf
dem Programm. Das nächste Ziel ist die größte Stadt Vietnams und
die vielleicht berühmteste Südostasiens: Ho-Chi-Minh-Stadt oder
besser bekannt als Saigon.
Fazit Tage 69, 70, 71 und 72:
Für das perfekte Licht muss man vor
Sonnenaufgang aufstehen.
Was haben wir heute gelernt? Vietnam
is(st) Suppe. Und das traditionell schon zum Frühstück. Die
vietnamesische Suppe wird „Pho“ geschrieben und wie ein
gepresstes „fö“ ausgesprochen. Sie besteht aus einer kräftigen
Brühe, Reisnudeln, Fleischstreifen (Rind oder Huhn), Zwiebeln, Lauch
und Chilis.
Willkommen ihr Tiger ;). Ja, wir auch, l.g. Lore
AntwortenLöschenPS: Ja wirklich super Fotos, gel Viktor?!
Stimmt, ihr ja auch! Habt ihr das gewusst?
LöschenHey ihr beiden,
AntwortenLöschendie Bilder der Foto-Tour sind echt toll geworden! Alltaegliches mit alternativer Belichtung, Bildaufbau und Schaerfentiefe wirkt gleich ganz speziell...ich buche schonmal die zwei-stuendige people-and-street-Fototour fuer Hamburg ;-)
Lasst euch die Zeit nicht zu lang werden ;-)
Viele Gruesse aus Cairns!
Geht klar ;) Die Frage wird allerdings sein, wie die Menschen in Hamburg reagieren, wenn man sie aus nächster Nähe ablichten will ;)
Löschen