Montag, 25. März 2013

Phnom Penh - Tage 1 und 2

Das Königreich Kambodscha ist eine konstitutionelle Monarchie. Die etwa 15 Mio. Einwohner leben in einem Land, das etwa halb so groß wie Deutschland ist und zu zwei Dritteln aus dem flachen kambodschanischen Becken besteht. Unsere erste Nacht verbrachte wir in den „Hügeln der Penh“, das 1,5 Mio. Einwohner zählende, wirtschaftliche Zentrum des Landes. Die war jedoch wieder kurz, weil unser Nachbar um 06:00 Uhr beschlossen hat, für eine Stunde mit Hammer und Bohrer Bauarbeiten durchzuführen. So richtig kann man es ihm aber nicht verübeln, schließlich steigt die Temperatur nur wenige Stunden später schon auf 35 Grad. Die Hitze führt auch dazu, dass in den nächsten Tagen kaltes Wasser aus der Dusche Mangelware wird.

Von der Tatsache euphorisiert, dass wir uns wieder in einem neuen Land befinden, werfen wir uns nach der warmen Dusche in den lärmenden Verkehr der Straße und suchen uns ein Frühstückslokal.


Auch ohne eine Stadtkarte kann man sich in Phnom Penh gut zurechtfinden. Die Stadt hat sich das französische Straßensystem im Schachbrettmuster erhalten und die meisten (und teuersten) Restaurants und Bars finden sich sowieso am Ufer des Tonle Sap. Dort finden wir auch einen Platz zum Frühstücken. Zwar ist der Kaffee schon alle, aber es gibt ein leckeres Müsli mit Joghurt, eine frische Obstplatte und O-Saft.

Die Menschen in unserer neuen Umgebung unterscheiden sich deutlich von den Vietnamesen, mit denen wir die letzten Wochen verbracht haben. Kambodscha ist ein Land mit eigener Kultur, Ausstrahlung und eigenen Nöten. Das zeigt sich in dem vergleichsweise beruhigten Verkehr, der nicht mehr so stark vom Hupen dominiert wird, in der Armut, die durch die zahlreichen bettelnden Frauen und Kinder sichtbar wird und die Ursache einer hohen Prostitutionsrate ist, in den Gesichtern der Menschen, die auf den ersten Blick freundlicher erscheinen als in Vietnam, und in den vielen wartenden TukTuk-Fahrer, die einem bei erster Gelegenheit ihre Dienste anbieten wollen.


Einen von ihnen brauchen wir, denn wir wollen heute Nachmittag zum berüchtigten Choeung Ek fahren, das 12km außerhalb der Stadt liegt. Und so lernten wir Mr. Sow mit seinem TukTuk kennen. Jeder Südostasienreisende kennt nur zu gut die Situation, in der man mit Taxifahrern, Ticketverkäufern, Hotelmanagern oder Obst verkaufenden Frauen in Verhandlungen tritt und das Feilschen beginnt. Was am Anfang der Reise vielleicht noch ungewohnt ist, wird im Laufe der Zeit immer mehr zur Routine. Manche sind schnell genervt davon, dass man immer und überall den Preis verhandeln muss, wenn man nicht als Ausländer das x-fache des „normalen“ Entgelts zahlen will. Andere sehen darin eine Herausforderung und versuchen ein Schnäppchen zu erzielen. Und bei den meisten ist es einfach auch eine Frage des Reisebudgets, was man zahlen kann und was nicht. Was allerdings nach unzähligen Verhandlungen schnell keine Rolle mehr spielt, ist mit einem Lächeln im Gesicht ein Bauchgefühl zu entwickeln, in welchen Situationen man um jeden Dollar, Dong oder Kip feilschen sollte und in welchen nicht. Der eine Dollar mehr, den man zahlt, bedeutet zwar vielleicht, dass man sein Tagesbudget überschreitet, führt aber dazu, dass der Andere nicht so sehr um sein spärliches Einkommen kämpfen muss und man ein Stück Vertrauen gewinnt. Das deutliche Überangebot an TukTuk-Fahrern in Phnom Penh führt dazu, dass viele über Tage keine ausländische Kundschaft haben. Von unserem Hotelinhaber wussten wir, dass für die 24km lange Fahrt und die zweistündige Wartezeit ein Preis von 10 bis 13 $ angemessen war. Mit Mr. Sow vereinbarten wir schnell 13 $ und gaben ihm nachher 15 $, obwohl er uns wahrscheinlich auch für 10 $ gefahren hätte. Dafür wurde der stämmige und gutmütige Kambodschaner unser Fahrer für die nächsten beiden Tage und erzählte uns, dass er jeden Morgen bei Sonnenaufgang eine Stunde Joggen geht, danach einer Gruppe von Kindern am Flussufer Taekwondounterricht gibt und für den Rest des Tages TukTuk fährt.

Der Weg nach Choeung Ek führt auf staubigen Pisten durch Vororte Phnom Penhs. 


Die Bodenunebenheiten und der aufgewirbelte Sand bescheren uns einen Hauch von Indien, während wir im TukTuk hin und her geschleudert werden. Auffälligstes Baumaterial der an uns vorbeiziehenden Häuser und Hütten ist Wellblech. Die auffälligsten Werbetafeln preisen „Ganzberg“, real German beer an. Noch nie davon gehört.

Das Choeung Ek Memorial liegt zwischen friedlich wirkenden Feldern und einer beschaulichen Obstgartenlandschaft. Es ist besser bekannt unter der Bezeichnung „killing fields“, eines der zahlreichen Landstriche, in denen die Roten Khmer ihren Massenmord am eigenen Volk begangen haben. 


Während Kambodscha in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts unter dem Eindruck des sich immer mehr auf eigenen Boden vorschiebenden Vietnamkriegs politisch führerlos wurde, gelang es dem überzeugten Kommunisten und ehemaligen Lehrer Saloth Sar, bekannt als Pol Pot, eine Guerillaorganisation mit dem Namen „Rote Khmer“ aufzubauen und am 17. April 1975 die Macht in Kambodscha zu übernehmen. Der neue Diktator und „Bruder Nr. 1“ begann vom ersten Tag seiner Herrschaft an, seine radikale Idee umzusetzen, das ganze Land in einen reinen kommunistischen Bauernstaat zu verwandeln. Die gesamte Bevölkerung aus Phnom Penh und aus allen anderen größeren Städten wurde gewaltsam aufs Land umgesiedelt und gezwungen, dort als Kleinbauern tätig zu werden, egal welchen Beruf die Menschen vorher nachgegangen sind. Städte sollten zugunsten des Landes verschwinden. Wer sich den Anweisungen widersetzte oder einfach das Pech hatte, als Intellektueller, weil man zum Beispiel eine Brille trug, Lehrer, Schriftsteller oder Gebildeter zu gelten, wurde mit dem Tode bestraft. Pol Pot und seine Roten Khmer schafften es in den kurzen vier Jahren ihrer Schreckensherrschaft, bis zu drei Millionen der insgesamt acht Millionen in Kambodscha lebenden Khmer umzubringen und sich damit, relativ gesehen, an die Spitze der Liste der Massenmörder des 20. Jahrhunderts zu katapultieren.


Choeung Ek ist die Stätte, wo die Gefangenen des „Toul Sleng“ Gefängnisses auf brutalste Weise umgebracht wurden. 1980 entdeckte man an dieser Stelle 86 Massengräber und eröffnete einige Jahre später die heutige Gedenkstätte. 


Das Memorial bietet einen bewegenden, bedrückenden und informativen Rundgang über das Gelände und ist inklusive der mehrsprachigen Audioguides sehr lehrreich und gut gemacht. Der Besuch der Gedenkstätte ist sicher kein angenehmer Ausflug, aber für jeden Reisenden in Kambodscha unbedingt zu empfehlen, um diese unfassbare und junge Episode aus der Geschichte des Landes zu verstehen.


Auf dem Weg zurück ins Zentrum von Phnom Penh können wir wie unser Loose-Reiseführer nur schwer glauben, dass diese belebte und aufstrebende Hauptstadt vor nur einer Generation komplett evakuiert und verlassen wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass nur etwa 30 Jahre seit der Herrschaft der Roten Khmer vergangen sind, sieht man jeden älteren Kambodschaner auf der Straße mit ganz anderen Augen.

Am Abend treffen wir uns mit Roel und Leoni zum Essen und Sportschauen in einer Irish Bar. Da die beiden wie wir von Phnom Penh nach Siem Reap weiterreisen möchten, buchen wir zusammen die Busfahrt für den übernächsten Tag. Das Ticket kostet 13 $ pro Person und die Busgesellschaft wirbt mit dem Slogan „affordable luxury“ für einen eleganten klimatisierten Bus mit WiFi, kostenlosen Getränken und sicheren Fahrern. Da mussten wir natürlich zugreifen. Auf dem Weg ins Hotel wohnen wir am Flussufer wieder einer der typisch asiatischen Outdoor-Aktivitäten bei: das öffentliche Sporttreiben in der Gruppe. Man ist immer versucht, selbst mitzumachen!


Der nächste Tag beginnt später als erwartet. Der Grund: Niemand hat uns geweckt! Eine willkommene Abwechslung. Nach dem Frühstück im Nordic Guesthouse wartet Mr. Sow bereits auf uns. Auf dem Weg zum Völkermordmuseum Toul Sleng halten wir am Komplex mit dem Königspalast und der Silberpagode. Phnom Penhs Wahrzeichen wurde im traditionellen Khmer-Stil errichtet und beeindruckt mit seiner prachtvollen Fassade. Die Anlage ist Ausdruck davon, dass die Khmer in ihrer Blütezeit ein Riesenreich befehligten und eine bedeutende Macht im südostasiatischen Raum waren.


Toul Sleng ist neben Choeung Ek der zweite bekannte Ort in Phnom Penh, der des Genozids unter den Roten Khmer gedenkt. 


Es befindet sich in den Räumen einer ehemaligen Schule. Hier betrieben die Khmer Rouge ihr berüchtigtes Gefängnis S-21. 


Mehr als 14.000 Menschen wurden in diesen Räumlichkeiten inhaftiert, gefoltert und ermordet. 



Das Gelände ist heute ein Ort der Stille mitten im lauten Phnom Penh. Obwohl der Rundgang im Vergleich zu Choeung Ek kaum Informationen bietet und es keinen Audioguide gibt, vermitteln die leeren Zellen, die Stacheldrahtabsicherung, die die Häftlinge am Selbstmord hindern sollte, und die Folterkammern einen bedrückenden und schonungslosen Einblick in die Abgründe menschlichen Handelns. 



Auch der Besuch des Völkermordmuseums hilft, das Kambodscha von heute besser zu verstehen.

Fazit Tage 81 und 82:

Oh Phnom Penh, during the three years we were apart, I missed you and my heart suffered each and every day...“ (Inoffizielle Übersetzung einer Zeile aus dem Lied „Oh Phnom Penh“, das in Choeung Ek gespielt wird.)

Was haben wir heute gelernt? Danke auf Khmer heißt „ákun“ (ausgesprochen: „okun“).


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